Alle sind betroffen
Die Erneuerung der Kirche geht alle an, das ganze Volk Gottes mit seinen vielfältigen Mitgliedern, den Gemeinden vor Ort, den religiösen Gemeinschaften, den Priestern und Bischöfen, den Einzelnen
und Gemeinschaften, auch der Papst braucht die Erneuerung immer wieder – alle eben und das Ganze der Kirche ebenso.
Die Kirche bedarf einer ständigen Reform, um nicht den Weg und ihre Identität zu verlieren, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt: semper reformanda. Das ist die Grundlage für den gemeinsamen
Weg, einen – wörtlich – synodalen, des ganzen Gottesvolkes (inklusive der darin lebenden Amtsträger). Es fehlt in der Kirche an Gespräch und Austausch, an beständigen synodalen Strukturen (sowohl
im Kirchenrecht als auch in außerrechtlichen Formen des alltäglichen kirchlichen Lebens – regional und weltkirchlich), die das bleibende Miteinander aller, Christgläubige wie Kleriker, dauerhaft
ermöglichen. Schritte, die den kontinuierlichen Austausch und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe fördern, sind notwendig und zu begrüßen.
Verheutigung und verständliche Sprache
Leben aus dem Vertrauen in Gott muss seine Relevanz für heute zeigen, um ein Zeugnis sein zu können. Auf Griechisch und Hebräisch geht es nicht mehr, auch nicht in Latein oder in der
Ausdrucksweise der ersten Konzilien oder in (neu)scholastischen Definitionen oder der Sprache des 19., nicht einmal des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Die Zeit der kulturübergreifenden, Zeitlosigkeit beanspruchenden Weltkatechismen ist vorbei. Es braucht vielfältige Übersetzungen und das bedeutet Veränderung. Was Wahrheit bedeutet, bedarf der
Vermittlung in die verschiedenen Zeiten, Kulturen und Denkweisen hinein. Im Lebenszeugnis wie im Wort muss Christsein immer wieder neu ausgedrückt werden. Deshalb sind Säkulare, Atheisten,
Muslime, Buddhisten und die vielen anderen – alle suchenden Menschen der Maßstab, um Lebensformen und Sprachweisen zu finden, die sie verstehen können.
Erneuerung wohin?
Der Weg der ständigen Erneuerung ist pastoral motiviert: Er hat die Menschen mit ihren Sorgen, Freuden, Ängsten und Hoffnungen (vgl. Konzil, Gaudium et spes) im Blick, jene, mit denen wir als
Christinnen und Christen leben, ob gewählt und freiwillig oder durch die Umstände vorgegeben. Zwei Orientierungspunkte weisen der Erneuerung die Richtung:
(1) zunächst die Rückkehr zu den Quellen, nämlich zur jüdisch-christlichen Bibel und der ersten Zeit;
(2) der Blick auf die Anforderungen der Gegenwart, die Zeichen der Zeit (vgl. Konzil, Perfectae caritatis).
Beides ist anspruchsvoll und fordert eine kompetente Auseinandersetzung, benötigt Kenntnisse, Analysen. Dafür ist der Gemeinschaft der Gläubigen der Heilige Geist gegeben. Er wirkt in der
Kommunikation zwischen den Suchenden und Forschenden, damit das Glaubenszeugnis authentisch wird und bleiben kann. Die Zeichen der Zeit brauchen immer wieder neu das Bemühen um Deutung und die
entsprechenden Konsequenzen. Erneuerung der Kirche ist deshalb auch fachkompetente Vertiefung in das, was Christentum bedeutet und die kundige Deutung der Zeitanalyse.
Die Kirche ist deshalb eine Lerngemeinschaft: Durch Offenheit für Suche und Irrtum, Umkehr und Neuanfang gilt es, stets Neues zu lernen. Und schließlich ist sie eine Gemeinschaft von Sündern, ein
Ort dramatischer Schuld. Auch deshalb bedarf sie der ständigen Reform.
Strukturelle Sünde braucht Bekehrung
Es waren die vielen sexuellen Missbräuche, die Anstoß für einen synodalen Weg wurden. Dass es zu solchen Skandalen kam, ist nicht nur Schuld der Einzelnen, sondern hat auch strukturelle Gründe.
Zu viel unkontrollierte Macht hat sich in der kirchlichen Hierarchie angesammelt. Deshalb bedeutet eine ehrliche Erneuerung auch die Begrenzung der Macht durch Partizipation und Kontrolle. Für
die Kirchengestalt im 21. Jahrhundert lassen sich da Wege finden. An dieser Stelle geht es auch um Gerechtigkeit in der Aufteilung von Leitungsverantwortung zwischen Männern und Frauen. Auch wenn
es nicht gleich zu einer Reform des immer noch diskriminierenden Kirchenrechts kommen mag, so sind konkrete Schritte als Zeichen der Umkehr und Erneuerung wichtig.
Die Kunst des Zuhörens
Da der Glaube vom Hören kommt, bedarf es der Schärfung der kirchlichen Hörfähigkeit auf allen Ebenen. Leitung bedeutet heute vor allem qualifiziertes Zuhören, das dann zu einer gemeinsamen
Weggestaltung führt. Schon in der Benediktsregel, dem alten Erbe westkirchlicher Überlieferung, ist bezeugt, dass Gott seinen Willen oft den Jüngeren eingibt und auf sie besonders zu hören
sei.
Nach Vinzenz Pallotti sind alle Menschen Adressaten der Geistausgießung. Die ganze Welt ist Raum der Gegenwart des Geistes, alle sind vom Geist begabt. Wo immer der Mensch hinkommt, ist Gottes
Geisteskraft bereits da. Kirchliche Erneuerung bedeutet, sich in den Entwicklungen und Ereignissen der Gegenwart ansprechen zu lassen im Vertrauen, dass Gott in der Geschichte wirkt und durch sie
zu uns spricht. Auch säkular eingestellte Menschen haben Christen etwas zu geben, auch in Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen wirkt Gottes Geist. Deshalb ist ein Weg der Reform auch
darauf ausgerichtet, in neuer Weise urteilsfrei, aber die Geister unterscheidend zu hören und sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.
Gefunden im Internet durch Bruno Kulinsky.
Eine Diskussionsbeitrag des pallottinischen Unio und des pallottinischen Freundeskreises.