Im Evangelium, in der Frohen Botschaft hören wir, dass da einer, der von Geburt an blind ist, von Jesus geheilt wird? Gibt’s das wirklich? Wenn wir so, mit diesen Fragen, an das Evangelium herangehen, dann tappen wir genau in die Falle, in die auch die Nachbarn und Pharisäer in der biblischen Erzählung getreten sind. Sie wollen „wissenschaftlich“ erklären, was da passiert ist, und befragen den Blindgeborenen und seine Eltern immer und immer wieder umständlich – und im letzten… bringt das gar nichts.
Es bringt nichts, weil sie mit den falschen Fragen und den falschen Vorgaben an die Wunderheilung herangehen. Es geht nämlich überhaupt nicht darum, ob einer, der blind ist, von Jesus geheilt werden kann oder nicht. Sondern es geht in unserer Geschichte vielmehr darum, dass da einer zum Glauben an Jesus kommt, dass da einem die Augen darüber aufgehen, dass Jesus das Licht der Welt ist, der Erlöser. So heißt die Pointe der Geschichte ganz am Ende nicht: „Jemand kann durch Jesus wieder sehen“, sondern die Pointe der Geschichte ist das Bekenntnis des Mannes, dem die Augen über Jesus aufgegangen sind: „Ich glaube, Herr!“
Wir fragen uns vielleicht immer wieder: Warum tun sich Menschen so schwer, zu glauben? Warum können sie so schwer glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, das „Licht der Welt“, wie er sich selbst im Evangelium bezeichnet hat. Die Antwort auf diese Frage gibt das heutige Evangelium. Weil viele versuchen rein rational, rein verstandesmäßig an die Person Jesu heranzugehen. Doch das läuft ins Leere. Ich werde so immer nur an der Oberfläche bleiben – wie die Nachbarn, die Pharisäer und viele andere Menschen in unserer Geschichte – aber nicht an das Eigentliche des Glaubens kommen. Deshalb wird es nie möglich sein, jemand rein rational, rein durch Argumente oder Wissen zum Glauben zu bewegen. Wenn Sie das bis jetzt versucht haben und es hat nicht funktioniert: machen Sie sich keine Vorwürfe – es wird nicht funktionieren.
Immer wieder höre ich den Vorwurf: Die Kinder oder auch die Erwachsenen wissen nichts vom Glauben, deshalb können sie nichts damit anfangen, deshalb gehen sie nicht in die Kirche. Dass Glaubenswissen teilweise verloren gegangen ist, das ist unbestritten. Aber das ist nicht der Grund, warum Menschen sich (scheinbar) vom Glauben entfernen. Und es ist aus demselben Grund eine überzogene Erwartung, zu meinen, in den Katechesen auf Kommunion und Firmung – die ja jetzt wieder laufen – müssten wir den Kindern und Jugendlichen nur wieder Glaubenswissen eintrichtern, so wie früher, dann würden sie auch wieder kommen. Wer das glaubt und erwartet, wird ständig enttäuscht und frustriert werden. Katechesen in Vorbereitung auf Taufe, Kommunion und Firmung sind, wenn sie ehrlich gemeint sind, in erster Linie Begleitung von Menschen an Lebenswenden; sie dienen nicht dazu Glauben zu „machen“ oder gar zur Rekrutierung von Gottesdienstbesuchern; das wäre eine Überforderung für Katecheten wie für die Kommunionkinder und Firmlinge gleichermaßen.
Das Evangelium heute will uns zeigen, dass der Prozess des Glaubens in einem selbst nur dann in Gang kommt (oder bleibt), wenn etwas Entscheidendes passiert. Schauen wir auf den Blinden: Er lässt sich von Jesus berühren. Da ist ja die merkwürdige Szene, wo Jesus auf den Boden spuckt und damit die Augen des Blinden bestreicht. „Spucke“ kommt aus dem Mund, aus dem Innersten eines Menschen. Dem Blinden gehen also die Augen über Jesus auf (d.h. er glaubt), weil dieser Jesus ihm einen Teig mit Spucke und Erde auf die Augen streicht. Glaube entsteht also nicht durch Wissen, sondern dadurch, dass der Boden (Erde) bereitet ist, damit ich mich von Jesus und besonders von seinem Wort (Spucke) berühren lasse. Das ist das Entscheidende. Und das kann man nicht machen, das „passiert“ oder die Alten haben gesagt „das ist Gnade“. Was ich oder wir tun können, ist versuchen, den Boden helfen, zu bereiten: indem wir von unserem Glauben erzählen und was er uns bedeutet, indem wir uns als Gemeinde versammeln und Jesus immer wieder in Erinnerung rufen, indem wir das Gottes- und Menschenbild Jesu überzeugend leben und verinnerlichen. All das ist der Boden, aber die Spucke, der Atem Gottes, der Heilige Geist, der muss dazu kommen bei der betreffenden Person, den kann ich/können wir nicht machen. Das ist Gnade.
Und noch etwas gilt für uns: es wäre vermessen und überheblich, wenn wir meinten, wir seien bereits die Erleuchteten, die Sehenden. In vielem, was den Glauben, was Jesus betrifft, sind auch wir schlicht und ergreifend blind. Deshalb gilt es auch für uns, die Offenheit mitzubringen und den Boden zu bereiten, dass wir immer wieder neu mit Jesus und seinem geistreichen Atem in Berührung kommen. Nur so werden sich auch uns immer wieder neu die Augen öffnen und wir werden unser Bekenntnis erneuern: Ich glaube Herr!
So haben wir im heutigen Evangelium weniger eine Wundergeschichte gehört, als vielmehr eine Glaubensgeschichte. Aber vielleicht ist es ja manchmal ein viel größeres Wunder, wenn mir selbst oder anderen die Augen über Jesus aufgehen, weil wir plötzlich berührt sind von seinem Atem, seiner Lebenskraft.
Gefunden von Bruno Kulinsky
Auszüge aus einer Predigt von Pfr. Stephan Eschenbacher aus März
2017
auf der Webseite der Karth.
Pfarrei St. Kilian in Haßfurt