In einer Radiosendung verglich die Sprecherin den Zustand der kath. Kirche als eine Art abgestorbenen Fichtenwald in einer forstwirtschaftl. Monokultur. Der religiöse Grundwasserspiegel sei abgesunken. Glaubenswissen und Glaubenspraxis verschwinden immer mehr. Und die Skandale um den sexuellen Missbrauch und seine Aufarbeitung hätten der Glaubwürdigkeit der Kirche stark zugesetzt. Über Jahrhunderte lebten wir selbstverständlich in einer christlichen Kultur. Nun sei sie dabei abzusterben. Das hätte vielfältige Gründe. Einen entscheidenden Grund sieht sie in der gewissen religiösen Monokultur in der Kirche. Die Kirche sei von und auf Jesus Christus gegründet. Aber wie seine Botschaft verkündet wird, welche Konsequenzen sie für das Leben habe und welche Ausdrucksformen dieser Glaube findet, das wird seit Jahrhunderten von Papst und Bischöfen – also zölibatär lebenden Männern - festgelegt. Daraus sei eine eindrucksvolle religiöse Kultur mit großen Traditionen entstanden. Aber die Anzeichen mehren sich, dass am Ende nur noch eine vertrocknete, tote Struktur übrig bleiben könnte – wie die toten Stämme in den einst so stattlichen Wäldern.
Bei den Förstern hätte ein Umdenken stattgefunden, weil sie erkannt hätten, dass Monokulturen nicht sehr widerstandsfähig sind. Deswegen versuchten sie nun, mehr Mischwälder zu kultivieren. Die Sprecherin glaubt, dass auch in der Kirche eine Erneuerung möglich ist. Aber nur dann, wenn man mehr Vielfalt zulässt: Frauen, die predigen und am Altar stehen; Laien, die mitsprechen dürfen, etwa bei Bischofsernennungen. Vor allem aber erwartet sie, dass alle, die Kirche sind, sich für die Menschen ehrlich interessieren. Denn das habe Jesus getan. Er hat mit ihnen zusammengelebt und gefeiert. Das war sein Verständnis von Glauben. Er hat nicht nur belehrt und festgelegt, was richtig und falsch ist, sondern aufmerksam hingehört. Und so hat er mit den Menschen entdeckt, wie Gott in ihrem Leben vorkommt.
Sie meinte, es brauche in ihrer Kirche viel mehr Mut, den Glauben einfach wachsen zu lassen. Menschen suchen nach einem Sinn für ihr Leben, sie setzen sich für Gerechtigkeit ein, sie sehnen sich nach Frieden und Versöhnung. Sie sind bereit, ihren Lebensstil für die Bewahrung dieser Welt zu ändern. Das ist der Humus, aus dem neue religiöse Erfahrungen und Ausdrucksformen wachsen können.
Ich meine, ein zutreffendes Bild mit den Monokulturen und Mischwäldern - allerdings teile ich nicht alles mit
der Radiosprecherin.
Die Fichten sterben, weil sich die Umwelt verändert. Von der Veränderung des Klimas in den letzten Jahrzehnten sind die Menschen in unserer Gesellschaft betroffen. Neue Geister im Kleid der Säkularisierung sind aufgetaucht und schleichen sich still und leise in die Herzen der Menschen ein. Es sind u.a. die Geister der menschen-ungerechten Ideologien wie Kapitalismus und Liberalismus, Feminismus und Genderismus. Hinzu kommen noch die Durchökonomisierung des gesamten Lebens, inzwischen eine tiefgehende mediale Steuerung mit manipulativen Auswirkungen und die Reduzierung des Menschen auf rein materiell-naturwissenschaftliche Dimension. Die Menschen werden von diesen Strömungen in ihren Seelen und Herzen erreicht und unbewußt in bestimme Haltungen und Verhalten gesteuert. Das führt auch dazu, dass der Zugang zur Dimension Gott vielen Menschen nicht mehr gelingt bzw. das Bewußtsein dafür abhanden gekommen ist. Die Mehrheit der Menschen sind Herdentiere und sie schwimmen wie die Fische meist mit dem Strom des Flusses. Das war so, das ist heute so und das wird immer so bleiben. Der Mensch ist an dieser Stelle ein schwaches Lebewesen. Aber der Mensch wurde von Gott geschaffen und mit der Fähigkeit ausgestattet, die Geister zu unterscheiden, die Wahrheit zu erkennen, um ganz Mensch zu bleiben und die Umwelt so mitzuprägen und mitzugestalten, dass es zum Paradies für die Menschen werden könnte.
In diesem neuen Klima mit Bedrohung für die Menschlichkeit werden solche Monokulturen nicht mehr überleben. Die Volkskirche ist tot. Das selbstverständliche Hineinwachsen in ein christliches Milieu ist nicht mehr gegeben. Wie entstehen aber nun die verlebendigenden, erneuerungsfördernden und menschengerechten Mischwälder in unserer Kirche und wie werden diese aussehen?
Ganz klar ist, die ständigen Forderungen nach strukturellen Veränderungen sind nicht wegweisend. Um bei den Fichten zu bleiben: Man kann anfangen sie zu gießen, zu stützen, die Schädlinge zu bekämpfen u.s.w., aber ein Blick in die evangelische Kirche reicht aus, um festzustellen, dass beendet das Fichte-Sterben nicht. Und noch eine Anmerkung dazu: Es waren bisher meist Frauen in der katholischen Kirche, die sich für das Weitergeben des Glaubens in den Familien und im Alltag eingesetzt haben. Ich kenne dies aus so vielen Familien. Ohne die Frauen gäbe es unsere Kirchen und das Christentum gar nicht. Das ständige Darstellen von Unterdrückung der Frauen in der katholischen Kirche halte ich für realitätsfern, unfair und in einem völlig verengten Blick. Die Kirche ist nicht die Institution und das Amt allein, sondern die Gemeinschaft der Christen. Und es können sich heute in der kath. Kirche Frauen und Laien weitgehend in der Kirche engagieren. Unser Glaube darf auch nicht auf das reduziert werden, was in der Institution oder Raum Kirche passiert. Die Kirche sollte sich immer als Brücke zu Gott verstehen, sowie Jesus die Menschen zu Gott hinführen wollte. Oder eine Quelle, aus der man das Wasser für das Lebendig-Sein holt. Getrunken wird das Waser in dem jeweils eigenen Lebensumfeld. Und genau dort passiert das Wesentlichste.
Zurück zum Mischwald: Beim Katholikentag in Ulm vor einigen Jahren habe ich einem Vortrag zugehört und an einem anschl. Workshop paar Tage später in einer Gemeinde bei Ulm teilgenommen. Es war ein katholischer Missionar/Bischof aus Afrika, der über das christliche Leben dort berichtete. Ich muss in den letzten Jahren immer wieder daran zurückdenken, denn er hat das beschrieben, was bei uns ansteht. Das Kirchenleben steht nicht im Vordergrund, sondern das Leben im Glauben und Beziehung zu Gott im Alltag und in einer von Nächsten-Liebe geprägten Lebensgemeinschaft. Dieses Klima entsteht aber auch nicht von allein, sondern muss gepflegt werden. Es erinnert an die ersten christlichen Gemeinden, die wir aus dem neuen Testament kennen.
Zum Mischwald bei uns: Den gibt es schon an vielen Stellen, er wurde aber von den Anhängern der Monokulturen nicht besonders gefördert und eher kritisch beäugelt. Hierzu gehören z.B. viele Bewegungen und christliche Gemeinschaften außerhalb der kirchlichen Gemeinden. Wir sind als Ehepaar und waren vor vielen Jahren als junge Familie z.B. in der Schönstatt-Bewegung zu Hause, einer Erneuerungsbewegung, die uns in unserem Glauben und Beziehung zu Gott und Gottesmutter erneuerte und uns ein festes Fundament geschenkt hat. Dazu gehören auch Hauskreise mit Treffen von gleichgesinnten Ehepaaren, die sich im Glauben austauschen. Dazu gehören Wallfahrtsorte mit besonderen Angeboten in Spiritualität/Meditation. Und es werden viele andere neue Formen dazu kommen. Es braucht aber Initiatoren, die am Entstehen des Mischwaldes mitmachen. Und klar ist auch, das nicht alles, was an gesellschaftlich vorhandenen Gewächsen inzwischen da ist, taugt für einen gesunden Mischwald. Auch dabei müssen die Geister unterschieden bzw. die Früchte auf Menschlichkeits-Tauglichkeit und im Sinne der Schöpfung Gottes geprüft werden.
Ich beobachte seit Jahrzehnten, wie wenig sich die pastoralen Kräfte bis auf einige Ausnahmen in der Seelsorge, Gemeindeleben und apostolisch engagieren. Wie stark an den Monokulturen festgehalten und alles was nicht Fichte war, abgelehnt wurde. Das ist sehr bedauerlich, aber offensichtlich menschlich gesehen normal, denn der Mainstream oder der Zeitgeist erfasst und beherrscht die Meisten.
Die Kirche stirbt nicht, sondern eine Gestalt der Kirche stirbt – so der Mainzer Bischof. Das wäre die Monokultur, die stirbt, aber nicht der Wald. Der Mischwald hat neue Chancen in diesem neuen Klima. Die Menschen haben wie einst die Lahmen, Blinden und Tauben die Chance dem lebendigen Evangelium zu begegnen und neue Wurzeln in der Beziehung zum Gott des Lebens zu schlagen. Und zu den Mischwald-Gestaltern gehören sowohl Männer und Frauen wie auch die pastoralen Kräfte und die Laien.
Es ist an der Zeit, die frohe Botschaft neu zu verkünden und nicht ständig auf das, was nicht gelungen ist, zu
schauen und den Menschen vorzuhalten. Dadurch geht auch der Appetit auf die frohe Botschaft verloren. Mahatma Gandhi soll einmal den christlichen Missionaren in Indien, als sie ihn fragten, wie
sie die Menschen für die christliche Botschaft begeistern können, geantwortet: „Denken Sie an das Geheimnis der Rose. Alle mögen sie, weil sie duftet. Also duften Sie, meine Herren“. Der Duft der
Rosen kann auch in uns Lust auf den Mischwald erzeugen.
Von Bruno
Kulinsky