Im Schulkindalter hat mir meine Oma viel von ihrem Leben mit Gott und der Gottesmutter erzählt. Sie erzählte mir immer wieder, wie sie als Alleinerziehende mit 5 Kindern in materieller Armut ihr Leben in der Not der Nachkriegszeit gemeistert hat und wieviel Kraft und Zuversicht sie aus der Verankerung im Glauben schöpfte. Gott war mittendrin in ihrem alltäglichen Leben mit Mühen und Freuden. Diese Erzählungen waren für mich rückblickend in Bezug auf meinen eigenen Lebensweg mit Gott das Wichtigste, denn sie waren echt und glaubwürdig. Die Erinnerung daran half mir im Erwachsenenalter mein eigenes Leben mit Gott zu gestalten. Für mich waren diese Erzählungen aus der Kindheit und diese Glaubenszeugnisse grundlegend für meine Verankerung im Gott und im Glauben.
Die Familie, aber auch die Kirchengemeinde, sollte in erster Linie so eine Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft sein. Auch Jesus war ein Erzähler und ein Erinnerer an Gott, den er uns als den himmlischen Vater vorstellte. In Gleichnissen erzählte Jesus seinen Mitmenschen vom heilbringenden Leben mit Gott. Ein Pater vom gut frequentierten Kloster Maria Laach hat mal bei einer Diskussion erzählt, dass er den Sinn seines Klosters darin sieht, die Besucher an Gott zu erinnern. Spuren für uns heute an unseren Lebens-orten?
Unsere Kirchengemeinden werden von immer weniger Kirchmitgliedern besucht. Es sind vor allem die älteren Generationen, die in Treue die Gottesdienste regelmäßig besuchen. Und gerade diese Generationen sind es auch, die noch eine lebendige Erinnerung an ein praktizierendes Leben aus dem Glauben heraus auch im Alltag haben und an ein Umfeld, in dem Gott noch sehr präsent war. Die Erneuerung des Glaubens kann wichtige Impulse erhalten, wenn diese Generationen den Jüngeren in Familien, den Gemeindemitgliedern, Nachbarn, Freunden und Anderen davon erzählen, wie sie ihr Leben aus der Kraft des Glaubens und mit Gott gestalten. Wer sonst soll davon erzählen und die Mitmenschen an Gott und letztlich an die existentiellen Seiten unseren Menschseins erinnern?
Ich bin davon überzeugt, wenn diese Glaubenszeugnisse echt und lebensfördernd sind, dann kommen sie auch bei den Jüngeren und Kirchenfernen an, die noch kaum Berührung mit Gott haben, denn aus dem öffentlichen Leben ist Gott ja inzwischen vollständig verbannt. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich unsere christlich geprägte Gesellschaft zu einer säkularen und ökonomisch-materiell geprägten Gesellschaft entwickelt. Gott ist zu einer privaten Angelegenheit geworden. Wer erinnert aber die Menschen an ihr Seelenleben und unsere moderne Gesellschaft an Gott, die sich nicht an lebensschützenden und menschengerechten Geboten Gottes orientiert, sondern sich durch menschen- und kapitalgesteuerten Systeme beherrschen läßt?
Im Grunde sind die Sehnsüchte der jungen Menschen heute die gleichen wie die Sehnsüchte der Generationen vor 50 oder 80 Jahren. Und auch die heutigen Generationen haben ihre Nöte, Sorgen und Ängste, wie einst die Älteren. Innerlich sind die Menschen heute in ihrem Menschsein vielleicht sogar ärmer als die Generationen zuvor. Umso wichtiger ist es, dass die Älteren daran erinnern, dass das Leben mit Gott bereichert und ein stabiles Lebensfundament schenkt, dass Gott jeden Einzelnen von uns liebt und hält, dass man sein Leben auf Gott wie auf Felsen bauen kann. Ein Vorbild in der Haltung und Vertrauen auf Gott kann uns die Gottesmutter Maria sein, an die sich viele Gläubige herzinnig binden.
Ich würde mir wünschen, dass Viele diese Anregung wahrnehmen und sich trauen, von Gott und ihrem Glauben zu erzählen. Das ist ein unersetzbarer Dienst am Nächsten, für eine menschenfreundliche Entwicklung unserer Gesellschaft und das ist wohl auch der wichtigste Beitrag für die Erneuerung des Glaubens und unserer Kirchengemeinden.
Von Bruno Kulinsky