In einem Interview im Oktober 2017 aus Anlass des 500. Reformationstages wurde Margot Käßmann,
die evangelisch-lutherische Theologin und Pfarrerin in verschiedenen kirchlichen
Leitungsfunktionen, vor dem Hintergrund der Reformation durch Martin Luther und dadurch erzielten Erneuerung der Kirche gefragt, warum viele junge Menschen in Deutschland mit dem christlichen Glauben nichts mehr anfangen können.
Die Ursache sieht Frau Käßmann in erster Linie darin, dass immer mehr Eltern ihre Kinder nicht im Glauben erziehen und ihnen weniger Geschichten aus der Bibel erzählen. Sie ist auch dafür, dass in den städtischen Kitas biblische Geschichten vorgelesen werden. „Wenn Kinder gar keine Ahnung von der Bibel haben, dann werden sie irgendwann im Leben ein Schiff mit Tieren sehen und nicht wissen, dass es die Arche Noah ist. Das ist doch eine Bildungslücke!“ – meint sie.
Sie verwies auch auf die marktorientierte Welt, in der wir leben. Sie meinte, dass auch Religion zu einem Markt geworden ist. Viele suchen sich so ein bisschen was aus jedem Angebot heraus, wollen aber nicht mehr in einer Glaubensgemeinschaft leben, die bestimmte Regeln und Grundüberzeugungen vertritt.
In diesem Interview wurde auch erwähnt, dass von den 22 Millionen Protestanten in Deutschland nur 3 % regelmäßig den Gottesdienst besuchen. Frau Käßmann wurde daraufhin gefragt, warum es der Kirche nicht gelingt, ihr Angebot auf die heutige Zeit zu „vermarkten“. Sie antwortete, die Kirche sollte sich nicht anbiedern und aus jedem Gottesdienst ein Happening mit Videoclips machen. Stattdessen sollte die Kirche auf die Kraft ihrer Tradition vertrauen. Sie hofft darauf, dass sich auch junge Menschen wieder auf die Kirche besinnen.
Frau Käßmann meint, die Kirchen sollten so vom Glauben reden, dass es die Menschen berührt. Sie wünscht sich, dass Menschen aus dem Gottesdienst rausgehen und sagen: Das hat mir so gutgetan, das
brauche ich bald wieder. Wenn aber nur fünf Menschen im Gottesdienst sitzen, dann sinkt die Stimmung in einer Abwärtsspirale. Sie frage sich, was die Kirchen tun können, damit die Spiritualität
lebendig bleibt. Eine sofort anzuwendende Lösung habe sie allerdings nicht parat.
Auf die Frage, was junge Menschen heute von Martin Luther lernen können, antwortete Frau Käßmann: „Haltung. Luther lehrt uns, zu fragen: Von was bin ich so überzeugt, dass ich dafür einstehe und aufstehe? Und Glaube und Gottvertrauen natürlich. Luther zeigt mir: Ich bin nicht die Macherin meines eigenen Lebens. Sondern es gibt eine andere Kraft, die mich hält und trägt.“
Zusammengefasst von Bruno Kulinsky
Gefunden auf der Webseite orange.handelsblatt.com